Fachtagung zu Landwirtschaft

Klima und Tierwohl

NIEDERALTEICH (tf/sm) – Um aktuelle Themen wie Klimawandel und Tierwohl in der Landwirtschaft mit Fachleuten zu diskutieren und zu reflektieren, hat die Landvolkshochschule (LVHS) Niederalteich gemeinsam mit dem Landesbildungswerk der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) in Bayern eine Tagung mit dem Titel „Landwirtschaft im Spannungsfeld der Märkte, wissenschaftlicher Erkenntnisse und einer ethischen Betrachtung“ veranstaltet und konnte dazu unter anderem den gerade neu gewählten Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Günter ­Felßner begrüßen.

LVHS-Leiterin Barbara Schmidt  begrüßte in Niederalteich rund 20 Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Ethik, Ämtern und Verbänden. Niederalteich sei als Pilgerort immer schon Teil eines Weges gewesen. So stelle auch die Tagung einen Weg in den Fokus, nämlich den der Gesellschaft und im Speziellen der Landwirtschaft durch aktuelle Herausforderungen.

Rasches Handeln
notwendig

Thomas Guggenberger eröffnete die Tagung mit seinem Vortrag über wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel und zum Tierwohl. Der Leiter des Instituts für Nutztierforschung HBLFA Raumberg-Gumpenstein verschaffte in seinem Vortrag einen Überblick über das langfristige Fortschreiten der Klima­erwärmung. Das Problem sei sowohl additiv als auch langfristig. Man könne nicht davon ausgehen, dass man die Klimabilanz jedes Jahr wieder neu schreiben könne. Klimaerwärmung schreite so lange weiter voran, bis man Treibhausgas-Emissionen vollkommen einstelle. Man könne das Problem also vor allem verlangsamen, nicht verringern.

„Es ist nicht nur wichtig, zu handeln, sondern auch schnell zu handeln“, so Guggenberger. Die Transformation der Energiewende müsse geschafft werden, und innerhalb dieser müsse gleichzeitig auch die Landwirtschaftswende laufen: „Die Landwirtschaft muss sich der Gesellschaft annähern.“ Als Ausweg nannte er unter anderem die standortgerechte Landwirtschaft und mit ihr auch die tiefgreifende Evaluation des Tierwohls.

Initiative zum Tierwohl

Über Herausforderungen im Verhältnis zwischen Tierwohl und Markt referierte Isabella Timm-Guri, Direktorin des Fachbereichs Erzeugung und Vermarktung des Bayerischen Bauernverbands. Am Markt seien die Wünsche in ­puncto Tierwohl groß, entsprechende Handlungen jedoch eher gering. „Im Moment ist das Tierwohl leider mehr Ladenhüter als gewünscht“, so Timm-Guri. Die Referentin stellte in ihrem Vortrag die Branchen­initiative Tierwohl (ITW) vor. Diese sei als ein freiwilliges Programm für höhere Tierwohlanforderungen mit entsprechendem Kostenausgleich initiiert worden und fördere vorrangig den Austausch zwischen Landwirtschaft und Einzelhandel. „Ziel ist es, mehr in die Breite zu kommen“, beschreibt Timm-Guri die Initiative. Die ITW biete viele Chancen, sehe sich insgesamt aber auch Grenzen gegenüber. So sei beispielsweise die Marktmacht des Einzelhandels insbesondere in Bezug auf Finanzierung nach wie vor stark spürbar und die verbindliche Programmdauer von drei Jahren sei für langfristige Veränderung zu kurz.

Um die Herausforderungen in der Zukunft zu bewältigen, sei schließlich eine nachhaltige Verzahnung von Markt und Politik wesentlich: „Der Markt alleine wird es nicht richten.“ Das Engagement solle jedoch weit über das bestehende Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hinausgehen, das Timm-Guri als lückenhaft und mit „Zerstörungspotenzial“ kritisierte.

Eine Frage der Ethik

Der Theologe und Religionswissenschaftler  Stefan Haider  näherte sich dem Spannungsfeld von Landwirtschaft und Gesellschaft schließlich aus ethischer Perspektive und stellte dabei die Frage: „Wo liegt die Verantwortung bei den Problemen, die wir gerade vorfinden?“ Seinem Vortrag zugrunde lag der Kampf zwischen Kultur und Natur und die damit zusammenhängende Naturethik. Im Wunsch, die Natur zu schützen, verkläre und romantisiere sie der Mensch und schaffe ethisch schwer begründbare Bewahrungskonzepte. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier habe sich im Laufe der Zeit stark gewandelt. So sei es Anliegen des Tierschutzes gewesen, die Fehlbehauptung aufzuklären, dass Tiere kein Leid spüren könnten. Dieser Gedanke habe sich weiter­entwickelt hin zum Verständnis von Tierwohl als „artgerechtes beziehungsweise gutes Leben“ und gipfele nun in der Frage, inwieweit es Tierrechte überhaupt erlaubten, „Tiere zu halten, zu nutzen und zu töten“. Einen Umgang mit den verschiedenen existierenden Positionen zu finden, sei heute Aufgabe der Tierethik.

23.11.2022 - Bistum Regensburg